Leben in Metaphern

Orangenbaum blauer Himmel

Bild: Deine Ideen haben Früchte getragen.

Mit diesem kleinen Exkurs möchte ich dir die Metapher einmal in einem anderen Licht zeigen. Nicht als poetisches Mittel, sondern als Element des Denkens.

Grundlage bildet das Buch: Leben in Metaphern – Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern von George Lakoff und Mark Johnson.

Stürzen wir uns also ins Geschehen:

Grundlagen

Wenn wir miteinander sprechen, verwenden wir Metaphern. Diese sind uns meist gar nicht bewusst.

Wir verteidigen unseren Standpunkt oder wir haben für unsere Argumentation ein solides Fundament geschaffen, manchmal wirken Worte hohl oder sind sehr tiefgründig, uns holt die Vergangenheit ein oderwir fühlen uns tief getroffen

Wir denken und handeln meist automatisch und kennen die dahinterliegenden Prinzipien (das Konzeptsystem) nicht. Da unsere Kommunikation auf den gleichen Prinzipien fußt, wie unsere Sprache und unser Denken, können wir durch die Analyse der Sprache herausfinden, wie unser zugrunde liegendes Konzeptsystem beschaffen ist.

George Lakoff (Linguist) und Mark Johnson (Philosoph) stellen in ihrem Buch die Theorie auf, dass unser Konzeptsystem – also die Konzepte, sprich Prinzipien, die unser Denken strukturieren – metaphorisch ist. Sie erklären, welche Metaphern unser Denken und Handeln strukturieren.

Die Metapher ist für uns dabei sehr hilfreich, denn durch sie können wir Bereiche unseres Lebens so strukturieren und ausdrücken, dass sie für uns selbst und andere fassbarer und verständlicher werden.

Das Wesen der Metapher besteht darin, daß wir durch sie eine Sache oder einen Vorgang in Begriffen einer anderen Sache bzw. eines Vorgangs verstehen und erfahren können. (Lakoff/Johnson – Leben in Metaphern, Carl-Auer-Systeme-Verlag, 2000, S.13)

Die Strukturmetapher

 Was bedeutet es nun, wenn ein Konzept metaphorisch ist und unser Alltagsleben strukturiert.

Zum Konzept Argumentieren gibt es in unserer Sprache die konzeptuelle Metapher:

Argumentieren ist Krieg

  • Seine Position verteidigen
  • Schießen  Sie los
  • Die Kritik traf ins Schwarze
  • Er griff seine Schwachpunkte an.

Warum ist das metaphorisch? Weil wir das, was wir unter Krieg verstehen: angreifen, verteidigen etc. auf den Bereich des Argumentierens anwenden. Wir strukturieren unsere Handlungen, unsere Sprache so, weil wir sie uns so vorstellen und so leben. Es ist interessant, dass die Metaphern kulturabhängig sind. Nicht jede Kultur nutzt die gleichen metaphorischen Konzepte.

Ich finde, dass man daran sehr gut erkennen kann, dass wir nicht von der Sprache bestimmt werden müssen, sondern sie kreativ aufbrechen können.

Wenn nun das Argumentieren nicht in Begriffen des Krieges, sondern  des Tanzes beschrieben würde. Setzt das die ganze Argumentation in ein anderes Licht. Diesen Gedanken finde ich äußerst spannend. Wenn in Begriffen des Tanzes miteinander gesprochen würde, käme es vielleicht gar nicht zu „verhärteten Fronten“ (tadaa noch ein Kriegsbegriff). Als Tanz wäre es vielmehr ein Miteinander, ein Ausloten, Annähern, ein Abstecken des eigenen Tanzbereiches, aber mit dem gemeinsamen Ziel vor Augen – Hand in Hand vorwärts kommen.

Sollten diese zwei Konzeptmetaphern aufeinander treffen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie sich nicht verstehen und nicht wissen, dass sie gerade beide argumentieren, nur auf unterschiedliche Weise.

Beleuchten und Verbergen

In dem wir einen Bereich auswählen, mit dem wir einen anderen strukturieren, treffen wir eine Wahl. Diese Wahl bestimmt, was wir hervorheben möchten und was im Umkehrschluss weniger Beachtung findet. Sind wir vom Kampfgedanken bestimmt und damit beschäftigt unseren Standpunkt zu verteidigen, dann sind wir nicht offen für den Gedanken, dass der andere uns gerade seine Zeit schenkt (metaphorische Konzepte dahinter: Zeit ist ein kostbares Gut, Zeit ist eine begrenzte Ressource, Zeit ist Geld – Ich habe viel Zeit investiert. Du vergeudest meine Zeit.)

Orientierungsmetaphern

Nun möchte ich dir noch die Orientierungsmetapher vorstellen. Der Name  bezieht sich tatsächlich auf die Orientierung im Raum. Unser Körper stellt dafür die Basis dar. Es geht um die Begriffe: oben-unten, innen-außen, vorne-hinten, tief-flach etc., die auf der Grundlage unserer physischen Erfahrungen beruhen.

  1. Wach sein ist oben; Schlafen ist unten

 Physische Grundlage: Wir stehen, wenn wir wach sind; Wir schlafen im Liegen

Er steht auf. Er versank in tiefen Schlaf. Er fiel ins Koma.

  • Gesund sein und Leben ist oben; Krankheit und Tod sind unten

Er ist in Höchstform. Mit ihr geht es bergauf. Die Krankheit hat ihn in die Knie gezwungen.

  • Kontrolle oder Macht ausüben ist oben; Kontrolle oder Macht ausgesetzt sein ist unten.

Die physische Grundlage: Der Stärkere und damit der Sieger ist im Kampf meist oben.

Ich habe Kontrolle über sie. Er ist der Situation überlegen. Er gehört zu den oberen Zehntausend. Er wurde vom Thron gestürzt. Ihre Macht sinkt, sie  werden fallen. Deine Nähe erdrückt mich.

  • Hoher Status ist oben; Niedriger Status ist unten.

Er ist eine hohe Nummer. Sie klettert die Karriereleiter hoch. Der Gipfel der Karriere ist erreicht.

Sein Ansehen sank.

  • Gut ist oben; Schlecht ist unten.

Sie haben sehr hochwertige Arbeit geleistet. Ihre Leistungen sind überdurchschnittlich.

Mit ihm geht es bergab. Er ist auf dem Tiefpunkt angelangt.

  • Verstand ist oben; Gefühl ist unten.

Er rutschte auf die Gefühlsebene ab. Sie unterhielten sich auf einem hohen intellektuellen Niveau.

Da sich in unserer Kultur der Mensch über dem Tier angesiedelt sieht, die Natur unter Kontrolle hat, folgt hier der Metapher Kontrolle ist oben, Der Mensch ist oben die Metapher Der Verstand ist oben.

Wichtig für die Schreibpraxis

Noch ein kleines Beispiel wie die Metapher der Form eine Bedeutung verleihen kann.

Wir konzeptualisieren die sprachliche Form in räumlichen Begriffen. Das ermöglicht uns auch auf die Form eines Satzes bestimmte Raummetaphern anzuwenden. Und zwar hat die Position der einzelnen Worte einen Einfluss auf die Bedeutung. Also räumlich gesehen: Welches Wort steht zuerst und steht welchem Wort am nächsten – wie wirkt sich das auf die Bedeutung des Satzes aus.

Konventionalisierte Metapher: Nähe ist Einfluss

Hierbei bezieht sich die Nähe allerdings auf die Syntax.

Je näher ein Wort einem anderen Wort steht, desto größer ist sein Einfluss auf das Wort.

Ich denke nicht, dass du das tun wirst.

Ich denke, dass du das nicht tun wirst.

In der zweiten Variante ist das Wort nicht näher an tun wirst und wirkt daher viel intensiver.

Er ist nicht glücklich.

Er ist unglücklich.

Die Negation im zweiten Beispiel hat eine stärkere Wirkung, da das Negationspräfix un- näher am Wort glücklich ist und somit auch eine ganz bestimmte Bedeutung hat, wobei nicht glücklich mehr Spielraum lässt.

Der Nutzen für dich

Dies war tatsächlich nur ein ganz kleiner Auszug aus dem Werk Leben in Metaphern.  Wen das Thema interessiert, dem kann ich das Buch nur empfehlen. Es werden weitere Metaphern vorgestellt und ihre Grundlagen erläutert, es geht auch um Personifizierung und Metonymie, die ja auch eine große Rolle in unserem Sprachgebrauch spielen (z. B. Der Teil steht für das Ganze: Schieb deinen Hintern hier rüber.)

Ich finde, das Thema beleuchtet unsere Sprache noch einmal neu und lässt uns darüber nachdenken, wie wir sie benutzen und welche Einstellungen, welches Denken und auch welche kulturellen Gegebenheiten dahinter stehen.

Nun habe ich das Thema für einen Blogartikel tatsächlich nur aus Liebhaberei gewählt. Ich finde das Thema wirklich interessant. Aber ich habe mich auch gefragt, was kann das nun für die Schriftstellerei bringen. Beim obigen Beispiel – Nähe ist Einfluss, ist der Nutzen ziemlich klar. Wortstellung und Wortwahl haben einen direkten Einfluss auf die Wirkungskraft deines Textes.

Und generell gilt: Je mehr du über Sprache weißt, welchen Mechanismen sie folgt, welche Wirkung sie erzielen kann und warum sie diese Wirkung hat, desto besser kannst du sie gezielt nutzen und für deine Zwecke anwenden. Zu versuchen, Macht über die Sprache zu haben (na die Metapher erkannt (Macht/Kontrolle ist oben) kann doch als Autor nun wirklich nicht schädlich sein. Und wenn du die Spielarten unserer Sprache (und damit des Denkens) immer besser verstehst, kannst du viel virtuoser mit ihnen umgehen.

Metaphern – Beispiele im Text

Ich habe mir einen Satz aus einem Bericht der Welt zum Thema Wohnungsbau gewählt und diese Metapher gefunden:

(…)„Wir sind der Motor des Mittelstandes, wir zahlen viele Steuern (…)

Hier liegt ein Sonderfall der Metonymie vor  – Der Teil steht für das Ganze -. Das Ganze wäre die komplette Maschine und ein Teil daraus ist der Motor. Das Wir wird nun mit dem Motor in Beziehung gesetzt und zwar gleichgesetzt. Welcher Teilbereich ausgewählt wird, ist dabei ziemlich bedeutend, denn er sagt einiges aus. Der Motor treibt voran, es bewegt sich etwas, es geht vorwärts, das empfinden wir in unserer Kultur als positiv.  (In anderen Kulturen hat Passivität übrigens einen höheren Stellenwert).

Somit gewinnt der Leser durch die gewählte Formulierung den Eindruck, dass der Redner doch nur Positives über sich zu sagen hat. Auch die Einstellung des Redners selbst ist erkennbar. Er sieht sich (seine Schicht) durchaus als aktiv handelnd an und bewertet das für sich als positiv.

Du kannst mit der Wahl deiner Worte die Gedanken und Empfindungen deiner Leser lenken. Du entscheidest, was beleuchtet und was verborgen wird, so setzt du das Spotlight für deine Leser genau auf das, was du im Fokus deiner Geschichte haben möchtest.

Ein literarisches Beispiel

Aus dem Buch von Judith Herrman – Sommerhaus später –

(…)Ich will keine Trophäe sein, verstehst du. (…) Ich sagte: Ruth das ist albern, du bist keine Trophäe, (…) und niemand wird dich erjagen(…).

Hier wird die Liebe (zumindest ein Teilbereich der Liebe) in Begriffen der Jagd beschrieben. Die Frau wird von dem Mann genau wie ein Tier erjagt und erlegt/erobert und ist am Ende nur eine Trophäe wie das Geweih an der Wand. Damit wird der Frau jegliche Mitbestimmung abgesprochen, sie ist dem Jäger ausgeliefert wie das Tier. Nach dem Ende der Jagd ist sie dem Jäger nichts mehr wert. Die Frau an sich, ihre Persönlichkeit wird nicht wertgeschätzt. Wenn wir die Liebe in Begriffen der Jagd definieren, dann steht dieses Konzept, dieses Denken dahinter. Wir beleuchten diesen speziellen Aspekt. Wir können diesen Bereich des Zwischenmenschlichen durch Begriffe der Jagd verstehen und weitertragen.

 Die Metapher ermöglicht uns Unsagbares zu formulieren. Unsere Metaphern sind durch unsere Kultur geprägt, durch unsere Wahrnehmung – sie ist nicht nur poetisches Mittel, sondern Element unseres Denkens. Du erfährst durch das Gesagte also auch immer etwas über die Einstellung/das Denken der Person.

Ein sehr spannendes Thema. Natürlich sind wir uns nicht bewusst, dass die Metapher auf diese Art unser Alltagsleben durchdringt und unser Denken und Handeln metaphorisch ist. Wir nutzen unsere Sprache automatisch. Der Ansatz unsere Sprache und vor allem unser Denken auf metaphorische Konzepte hin zu untersuchen, war für mich auf jeden Fall interessant. Vielleicht beschreibst du ja im nächsten Text die Diskussion deiner Figuren auch in Begriffen des Tanzes. Die Stimmung könnte dann weniger aggressiv sein, außer du wählst den Tango. Hm.

🙂 Vielleicht so: Seine Argumente tänzelten um mich herum, bis mir ganz schwummrig wurde. Ich musste versuchen, seine Gedanken wieder in meinen Rhythmus zu bringen. 🙂 Auf-bruch Sprache!