Jeder Geschichte liegt eine Struktur zu Grunde. Sie führt den Leser durch die Erzählung hindurch. Die Struktur entscheidet, wann jedes Puzzleteil der Geschichte in Aktion tritt, ob es sich zunächst am falschen Ort einfindet oder genau richtig ist. Es lässt die Unruhe beim Betrachter wachsen – welches Gesamtbild wird sich ergeben? Kommt es zu einer Lösung und wie wird sich das fertige Puzzle am Ende dem Zuschauer/Leser darbieten (Happy End – ja oder nein)? Strukturmodelle können so das Knäuel deiner vielen Ideen entwirren und in ein interessantes Muster verwandeln. Wer Struktur braucht und gern plottet oder ausprobieren möchte, ob dieser Weg etwas für ihn ist, dem möchte ich die 8-Sequenzen-Lehre und die Heldenreise kurz vorstellen.
Die Basis
Die Grundstruktur einer Geschichte ist – so wie wir es in der Schule gelernt haben – der Drei-Akter. Nach Aristoteles hat jede Geschichte einen Anfang, eine Mitte und ein Ende.
1. Einleitung (Vorstellung der Personen, Ort, Handlung, Konflikt wird eingeführt)
2. Hauptteil (der Konflikt wird bearbeitet bis zum Höhepunkt, dann erfolgt ein Wendepunkt)
3. Schluss (Lösung des Konfliktes)
Diese einfache Struktur lässt natürlich viel Raum, seine Geschichte zu erzählen und aufzubauen. Wer keine Probleme damit hat, seine Geschichte zu strukturieren, muss sich mit der Theorie vielleicht gar nicht weiter auseinandersetzen. Aber meist ist es doch so, dass es einen Punkt gibt, an dem es hakt oder irgendwie nicht so recht Spannung aufkommen will oder wir mit dem Plot steckenbleiben. Dann kann ein Strukturmodell helfen. Welches das richtige ist, muss dabei allerdings jeder für sich selbst herausfinden. Es gibt nicht DAS Modell, das alle Wunden heilt.
Wobei kann ein Strukturmodell dir nun helfen?
Du kannst damit erkennen, welche Teile einer Geschichte du bereits vorliegen hast und welche noch fehlen. Vielleicht fehlen dir Konflikte, Gegenspieler und deine Geschichte löst das Problem zu früh. Oder du hast gar keinen richtigen Höhepunkt. Um das herauszufinden eignen sich differenziertere Modelle als der Drei-Akter.
Noch mehr Struktur
Es gibt noch jede Menge weiterer Strukturmodelle wie zum Beispiel den 5-Akter oder den 7-Akter. Dabei bleibt die Grundstruktur des 3-Akters erhalten und wird lediglich etwas weiter ausdifferenziert. So blitzt der 5-Akter bereits in der Beschreibung des Drei-Akters durch.
1. Exposition wie 1. Einleitung
2. Handlungssteigerung – Dann spitzt sich der Konflikt zu und weitere Probleme kommen dazu.
3. Klimax der Höhepunkt
4. Handlungsabfall (Konsequenzen werden deutlich)
5. Auflösung – Konflikt wird endgültig gelöst.
Ich möchte dir nun gern noch zwei Modelle vorstellen, mit denen du versuchen kannst, deine Geschichte aufzubauen – zu plotten oder deine fertige Geschichte auf die einzelnen Schritte hin abklopfen kannst. Natürlich sind die Modelle nicht in Stein gemeißelt und können kombiniert werden oder die einzelnen Bausteine sind verschieden stark gewichtet. Um ein Gefühl für die Erzählstruktur zu bekommen, helfen sie trotzdem und beleuchten ja vielleicht doch hier und da noch ein paar Plotlöcher oder zu flache Figurenausarbeitungen.
Die 8-Sequenzen-Lehre
Auch die 8-Sequenzen-Lehre nach Frank Daniel ist eine Verfeinerung des Drei-Akters. Als Drehbuchlehrer ging es ihm natürlich um Filme, aber Filme sowie Bücher erzählen Geschichten.
Wichtig ist hier, dass in jeder Sequenz eine Frage aufgeworfen wird, die in der nächsten bearbeitet wird, sodass der Zuschauer oder Leser immer wissen will, wie es weiter geht. Wenn das gut umgesetzt wird und aufgeht, hast du einen Pageturner J. Bei der 8-Sequenzen-Lehre liegt der Fokus stark auf der Handlung. Ich weiß, dass es immer wieder die Frage gibt, nach dem Motto: Was war zuerst da – Handlung oder Figur? Was entwickle ich zuerst? Ist die Geschichte eher handlungs- oder figurenorientiert? Bei dieser Herangehensweise wird die Handlung in kleine Sequenzen unterteilt und die dramatische Spannung des Gesamtprojekts im Blick behalten.
Sequenz A – Dient der Exposition. Figuren, Ort, Handlung und Zeit werden vorgestellt Es kann auch spektakulär beginnen. Die vorgestellte Welt gerät am Ende aus dem Gleichgewicht und fordert vom Protagonisten eine Reaktion heraus.
Sequenz B – Die Spannung wird ausgebaut und der Protagonist tänzelt noch um das Problem herum und will es noch nicht wahrhaben. Am Ende muss klar sein, was das Problem ist und dass es unbedingt gelöst werden muss.
Sequenz C – Erster Lösungsversuch. Meist halbherzig oder vielleicht mit einem ersten Erfolg, der aber noch größere Probleme nach sich zieht. (Er hat sich noch nicht mit seiner neuen „Rolle“ identifiziert.)
Sequenz D – Die Hauptfigur gibt nun alles, scheitert jedoch. Ein anderer Plan muss entwickelt werden. Der Mittelpunkt der Geschichte, ein erster Höhepunkt, ist erreicht. Oft gibt es hier einen Kontrast zur finalen Lösung.
Sequenz E – Der Protagonist bemüht sich die Hindernisse zu überwinden. Er findet Inspiration und eine Lösung. An dieser Stelle kommen oft neue Figuren oder Subplots hinzu.
Sequenz F – Der Plan wird erfolgreich umgesetzt und die dramatische Spannung wird aufgelöst. Hier findet der zweite Höhepunkt statt.
Sequenz G – zeigt, dass die Geschichte doch noch nicht vorbei ist. Ein neues Problem, eine neue Frage tut sich auf. Unerwartete Wendungen ergeben sich.
Sequenz H – Es kommt zur endgültigen Auflösung. Die Welt, die am Anfang aus dem Gleichgewicht geraten ist, findet zu einem neuen Gleichgewicht.
Die Heldenreise
Bei der Heldenreise geht es sowohl um die äußere als auch um die innere Entwicklung des Protagonisten. Der Drehbuchtheoretiker Christoph Vogler hat dieses Modell unter Rückgriff auf den Mythenforscher J. Campell und den Psychologen C. G. Jung entworfen. Und es lässt sich auf die Großzahl von Hollywoodfilmen anwenden, egal ob Komödien, Romanzen oder Thriller. Wer seinen Schwerpunkt auf die Veränderung der Figur legt, kann mit diesem Erzählmodell seine Geschichte in eine gut funktionierende Struktur bringen.
- Die gewohnte Welt: Der Held wird in seinem Alltagsleben vorgestellt. Dort gibt es bereits Dinge, die ihm nicht hundertprozentig zusagen.
- Der Ruf zum Abenteuer: Er wird aufgefordert oder angeregt etwas Neues, außerhalb seiner Welt liegendes zu machen.
- Die Verweigerung des Rufs: Zunächst überwiegen die Ängste, er vermeidet Risiken, will sich dem Ruf zum Abenteuer nicht stellen.
- Begegnung mit dem Mentor: Der Mentor überzeugt den Helden das Abenteuer anzutreten. Er steht ihm zur Seite, er hat mehr Wissen gesammelt als der Held zu diesem Zeitpunkt.
- Überschreiten der ersten Schwelle: Das Abenteuer beginnt. Sobald er den mutigen Entschluss dazu gefasst hat, gibt es kein Zurück mehr. Nun wird alles anders.
- Bewährungsproben, Verbündete, Feinde: Es müssen erste Prüfungen und Aufgaben bewältigt werden. Dabei lernt er nun seine Freunde und Feinde kennen.
- Vordringen in die tiefste Höhle/zum empfindlichsten Kern: Der Held befindet sich an seinem Tiefpunkt, er steht seinem größten Widersacher (äußerer und/oder innerer Feind) gegenüber und meint, scheitern zu müssen. Er muss loslassen, sich neu erfinden, andere Wege einschlagen. Wenn er dies erkennt und entsprechend handelt, wendet sich die Situation zum Besseren. (ein Höhepunkt der Geschichte)
- Entscheidende Prüfung/Entscheidungskampf: Nun folgt der Wendepunkt der Geschichte. Der Held wendet seine neuen Lösungsstrategien an und tritt damit in den Endkampf. Er siegt und gewinnt so neue Kräfte (innere Einsichten).
- Belohnung und Ergreifen des Schwerts: Nach dieser “Wiedergeburt” (Er ist nun ein neuer Mensch) blickt der Held zufrieden auf sich und das Geschaffte. Er hat viel über sich selbst gelernt und kennt nun den Weg, den er einschlagen möchte. Er ist gerade sehr glücklich und zufrieden. (In Filmen gibt es hier oft Hochzeitsszenen, Liebesszenen und der Film endet.)
- Rückweg: Nun kehrt der Held in seine alte Welt zurück. Auf diesem Weg muss er sich mit seinem neu erworbenen Wissen/Können beweisen. Es werden neue Steine in den Weg gelegt, neue Prüfungen von ihm abverlangt. Wird er in seine alte Welt als der alte zurückkehren können? Kann/soll das Leben so weitergehen wie vorher? Er muss für die neue Welt, wie er sie sich wünscht, kämpfen. In Filmen kommt hier oft ein Wettrennen gegen die Zeit. (In Liebesfilmen: Wird er es schaffen am Flughafen anzukommen, bevor seine Geliebte für immer fort ist.)
- Auferstehung/Verwandlung: Alle seine positiven Eigenschaften verbinden sich mit dem neu Gelernten. Alles, was der Held gelernt hat, wendet er nun auch an und lebt sein Leben neu. Lebt seine neue Persönlichkeit auch tatsächlich aus. Der letzte Sieg ist errungen.
- Rückkehr mit dem Elixier: Die Heldenreise ist erst dann geglückt, wenn der Held seine Abenteuer überstanden hat und nun mit seinem neuen Wissen (Elixier) in die alte Welt zurückkehrt und diese damit bereichert, verbessert. (Elixier aus dem Arabischen: al-iksír Bedeutet: Quintessenz, Stein der Weisen)
Die 3-Akt-Struktur lässt sich hier übrigens auch wiederfinden.
1-4 Einleitung 5-8 Hauptteil 9-12 Schluss
Heldenreise oder 8-Sequenzen-Lehre
Probieren geht über studieren.
Du könntest zum einen die einzelnen Steps der Heldenreise sowie der 8-Sequenzen auf Karteikarten schreiben und dann deine Geschichte in Abschnitte einteilen und ebenso auf Karteikarten schreiben und schauen, welche Teile der 8-Sequenzen oder der Heldenreise abgedeckt sind. So kannst du auch einmal mit der Abfolge spielen und die einzelnen Elemente anders anordnen. Du kannst das selbstverständlich auch in einer Tabelle auf dem PC darstellen, wenn du damit besser arbeiten kannst. Wer das Grundprinzip von Geschichten verinnerlicht hat, kann natürlich viel besser damit spielen und vom Schema-F abweichende Geschichten schreiben. Schema-F ist hier auf keinen Fall abwertend gemeint, weil: Never change a running system. Es funktioniert ja immerhin bereits seit Jahrhunderten.
Dann mal ran und viel Spaß beim Plotten.