Im letzten Artikel habe ich versucht, dir ein paar Tipps an die Hand zu geben, um deine persönliche Schreibzeit zu finden. Wenn du sie nun gefunden hast, gratuliere ich dir. Und wenn du denkst: Na toll, jetzt habe ich Zeit, aber dieses leere weiße Blatt starrt mich so erwartungsvoll an, dass ich gar nicht anfangen möchte und dazu noch diese Stimme in meinem Ohr, die immer nur negativ säuselt: Na das wird doch sowieso nichts., dann ist es mir ein Bedürfnis, dir die folgenden Tipps zu geben, um in deinen Schreibfluss zu kommen.
Schick deinen inneren Kritiker in den Urlaub
Hol einen Koffer, pack die Badeschlüppa ein und setz deinen inneren Kritiker am besten in ein Flugzeug und schick ihn auf eine hübsche Insel in der Südsee. Beim Schreiben hat er nämlich nichts in deiner Nähe zu suchen. Wenn es ans Überarbeiten geht, darf er gerne frisch erholt zurückkommen und mitreden. Vorher nicht! Sonst bleibt das Blatt leer und wenn du nichts geschrieben hast, dann kannst du auch nichts überarbeiten.
Klavier spielen, Schach, Fußball
Für andere Hobbys sind Trainingszeiten ganz normal. Das sollte auch fürs Schreiben so sein, denn das muss auch trainiert werden. Je regelmäßiger du schreibst, desto leichter geht es dir von der Hand. Du trainierst deine Kreativität und du kannst dich beispielsweise an Formulierungen ausprobieren. Wie funktionieren verschiedene Perspektiven (Ich-Erzähler, Auktorialer-Erzähler). Was liegt dir mehr? Zu deiner eigenen Schreibstimme findest du auch nur durchs Schreiben, Schreiben, Schreiben. Das Schreiben ist eben ein Handwerk, dass sich verschiedener Techniken bedient. Genau wie beim Fußball müssen auch diese geübt werden. Sieh das weiße Blatt als dein Spielfeld an und tob dich darauf aus.
Und für alle, die ihren Roman schreiben möchten und nicht ins Schreiben finden, sei hier die Weisheit von Ernest Hemingway zitiert: Der erste Entwurf ist immer Mist. Soll heißen: Dein erster Entwurf wird nicht der letzte sein. Schreib einfach erstmal alles auf. Fang mit der Mitte, dem Ende oder dem Anfang an. Erst am Schluss überarbeitest du und kannst alles rauswerfen oder umschreiben. Aber zunächst brauchst du deinen ersten Entwurf, damit du überhaupt etwas zum Bearbeiten hast. Dann mal los – hau in die Tasten! 🙂
Wie fange ich denn nun an
Es gibt sehr viele Möglichkeiten, in den Schreibfluss zu kommen. Ich werde dir nun einige vorstellen und du kannst sie für dich ausprobieren und entscheiden, was für dich am besten funktioniert.
Der erste Satz
Beginne immer mit demselben ersten Satz als Einstieg. Zum Beispiel: In diesem Moment beginnt meine Schreibzeit und ich …. Such dir einen ersten Satz aus einem Buch und starte damit. So kommst du über die Hürde der ersten Wörter schon einmal hinweg. Oder schreibe zu einer Geschichte ein anderes Ende auf. Oder ändere den Charakter einer Figur und schreib die Geschichte oder Szenen daraus um. Zum Beispiel: Schneewittchen ist gar nicht so nett, sondern ziemlich hinterlistig. Die ganze Geschichte hat sie doch von vornherein so geplant.
Deine Themenliste
Lege dir eine Themenliste an. Und wenn dir gerade nichts einfällt, dann wähle dir ein Thema von deiner Liste aus und schreib dazu etwas. Das können Dinge sein, über die du schon immer mal schreiben wolltest oder die dich berühren, die etwas in dir auslösen. Unten habe ich dir ein paar Beispiele aufgelistet. Vielleicht inspiriert dich auch eine Kombination aus deinen Themen – Freundschaft und Schafe?
- Regen
- Besessenheit
- Sex
- Düfte
- Sonnenlicht
- Liebe
- Freundschaft
- Schafe
- Erinnerungen
- Ängste
Das Zufallsprinzip
Schlag ein Buch auf und tippe auf Wörter, aus denen du nun einen Text schreiben kannst oder lass dir Wörter von jemandem geben. Hier hast du schon mal drei: – Leberwurstbrot, – Geburtstag, – Kuss
Bilder als Schreibimpuls
Bilder können so viele Fragen aufwerfen oder Erinnerungen auslösen, dass sie eine gute Inspirationsquelle sind und einen direkt in einen rauschenden Schreibfluss werfen können. Du kannst verschiedene Quellen ausprobieren.
- Urlaubsfotos
- Bilder in einer Galerie
- Themenboards auf Pinterest.
Aber nicht nur Bilder anschauen, sondern auch schreiben. 😉
Nutze Musik als Inspiration.
Mach dir klassische Musik an, Liebessongs, Hip Hop oder Meeresrauschen. Und dann schreib einfach auf, was du fühlst, woran du dabei denken musst, lass es aus dir herausfließen – einzelne Wörter, Sätze, alles was kommt. Musik ist generell ein tolles Mittel, um sich in die Stimmung der Szene hineinzuversetzen, die du schreiben möchtest. Ich kann, wenn Musik läuft nicht schreiben, aber hören und dann schreiben geht auch gut.
Automatisches Schreiben
Schreib einfach drauflos, ohne nachzudenken. Ohne Punkt und Komma, ohne auf einen Sinn zu achten. Mach dich frei von allen Regeln und schreib einfach. Nimm alles an, was da an Gedanken kommt. Deine Kreativität wird so in Gang gesetzt und alle ablenkenden Gedanken ausgeschaltet. Du kannst dir einen Wecker stellen auf z. B. 5 Minuten und in dieser Zeit schreiben. So schnell wie möglich, sodass du nicht in die Versuchung kommst nachzudenken. Es ist ähnlich wie beim Meditieren, mit dieser Übung bist du ganz beim Schreiben – wie in einer Art Trance, ohne störende Einflüsse.
Was wäre, wenn ….? oder Versetze dich in eine andere Rolle
Was würde passieren, wenn du gerade die Figur in einem Roman oder Film wärst. Würde ein SWAT-Team durch dein Fenster stürzen? Jemand an der Tür klingeln und …?
Was wäre, wenn du die Frau im Bus ansprechen würdest, welches Gespräch würde entstehen? Ist sie Ärztin und fliegt bald nach Australien, um dort zu heiraten oder ihre Familie zu suchen. Warum sieht sie immer so perfekt gestylt aus? Was ist sie von Beruf? Ist sie ein oberflächlicher Mensch? Was macht sie in ihrer Freizeit?
Was wäre, wenn du dich in den Nachtzug nach Paris setzen würdest?
Überlege dir Was-wäre-wenn-Situationen oder denke dich in eine andere Person hinein (Lausebengel, Professor, Putzfrau). So löst du dich von der Realität und du gibst dir leichter die Erlaubnis, über verschiedene Szenarien zu schreiben.
Mit allen Sinnen
Schau dich um und nutze alle deine Sinne. Wie fühlt sich der Bezug deiner Couch an, der neue Seidenschal. Wonach riecht es gerade. Was siehst du, was hörst du. Magst du es? Was nervt dich? Warum? Schreib es auf.
Wechsle deinen Schreibort
Wenn du deinen Schreibort wechselst, gewinnst du viele neue Eindrücke, die du aufschreiben kannst. Geh in ein Café, setz dich auf eine Parkbank, in ein Einkaufszentrum, an den Rand einer Schlittschuhbahn. Vielleicht hemmt dich dein Schreibort zu Hause gerade und du verbindest eher Schreibdruck mit ihm, dann kann ein Ortswechsel helfen. Vielleicht musst du gar nicht rausgehen. Schreiben auf dem Klo, in der Badewanne oder auf dem Balkon, kann deine Kreativität sicher ankurbeln und dich in den Schreibfluss bringen.
Der Schreibfluss beginnt im Kopf
Ich persönlich finde es unheimlich befreiend, wenn ich für mich weiß, dass ist meine Schreibzeit/ mein Schreibtraining, ich muss keinen Bestseller aufschreiben. Ich übe – so wie jeder sein Hobby üben muss. Ich kann aufschreiben, was immer ich möchte. Alles, was auf dem Blatt steht, ist richtig so, weil es genau in dem Moment raus wollte. Ich kann später damit weiter arbeiten, ich kann es nie wieder anschauen. Das ist völlig egal. Wenn ich schreibe, bin ich. Scribo, ergo sum.
Schreibtraining während des Romanschreibens
Und auch wenn du eine Romanidee hast, die du nun aufschreiben möchtest, ist es sinnvoll, immer wieder Schreibübungen zu machen, um locker zu bleiben und ein bisschen Abstand zum Schreibprojekt zu gewinnen. Wenn du mitten in deinem Projekt feststeckst, kann es hilfreich sein, Szenen aus verschiedenen Sichtweisen aufzuschreiben (so lernst du auch noch etwas über deine Figuren) oder nimmst andere Änderungen vor und löst so Blockaden, die dich gerade in deinem Schreibprojekt hemmen. Wichtig: Diese Schreibübungen müssen nicht in deinem Roman landen.
In diesem Sinne: Alles kann, nichts muss – lass die Wörter fließen und hab Spaß.
Solltest du eine Romanidee haben und möchtest deiner Geschichte gern Struktur verleihen, dann ist der Artikel Die Heldenreise das Richtige für dich.